Zwei Giganten aus Blüten und Pappe

Ein Bericht der Badischen Zeitung

Autor: Bettina Schaller

EIN BESUCH: Die Jungmusiker von Kippenheimweiler haben zum dritten Mal einen Chrysanthemenwagen gestaltet.

Am Mittwoch war Abgabetermin für rund 40 Jugendliche des Schützen-Musikvereins Kippenheimweiler. Dann nämlich musste ihr Motivwagen für die Chrysanthema 2012 abholbereit sein. Ungefähr 40 Einsatzstunden hatten die Jugendlichen bis dahin absolviert. Hand in Hand hatten die Jungmusiker gearbeitet und dabei zirka 60 Liter Klebestoff und 46 Quadratmeter Chrysanthemen zu zwei mannsgroßen Seelöwen verarbeitet, erläutert Jugendleiter Simon Scholz.

Es riecht heftig nach Klebestoff in Hertensteins Hof, in der Scheune macht sich der intensive Geruch der Chrysanthemen breit. Nicht nur in der Luft liege Chrysanthemenduft, lacht Sandra Hatt, „vergangene Nacht hat mein ganzes Bett nach Chrysanthemen gerochen“, sagt sie und streckt ihre Hände aus. In der Tat riechen sie intensiv nach Chrysantheme. Sandra Hatt und ihre jugendlichen Helfer köpfen Chrysanthemen. „Die am Stengel und die Großen werden geschnitten, die anderen abgeknipst“, erklärt sie die Technik.

Hasendraht und Pappmaché machen die Figuren stabil

Zielgenau fallen die Blütenköpfe in die Klappbox. Farblich sortiert versteht sich. Sechs Farben haben die Jungmusiker bei den Stadtgärtnern geordert. Bronze, Rot, Gelb, Rosa, Lila und Weiß. Daraus entstehen ein großer und ein etwas kleinerer Seehund mit Ball in den Pastelltönen. 46 Klappboxen mit Chrysanthemenbüschen stehen in Hertensteins Scheune zur Verarbeitung bereit. „Klamme Finger haben wir nicht – wer knipst, hat’s warm“, sagt Sandra Hatt. Es habe zwar eine Weile gedauert, bis er die Technik herausgehabt habe, erzählt Etienne Mußler: „Aber dann wird es Routine.“ In diesem Jahr sei er zum ersten Mal dabei und könne sich gut vorstellen, beim nächsten Motivwagen wieder mitzumachen.

Bei ihrem Motivwagen vergangenes Jahr hätten sie ganz schön Lehrgeld bezahlt, erzählt Jugendleiter Simon Scholz. „Wir hatten den falschen Hasendraht, und das Pappmaché hat auch nicht gehalten.“ Der Triumphbogen und der Reichstag seien zusammengebrochen. Aus der Patsche habe ein Vater geholfen, der ein Holzmodell gezimmert habe, worauf dann die Blüten geklebt wurden. Dieses Malheur der Jugendmusiker sei wohl kein Einzelfall gewesen. Jedenfalls habe die Stadt Lahr einen Workshop mit Richard Sottru und Werner Beck in Sachen Modellbau angeboten. „Jetzt wissen wir, wie man Hasendraht richtig zuschneidet, wie viel Schichten Pappmaché wir brauchen und dass alles zum Schutz gegen Regen lackiert werden muss“, so Scholz. Und das habe der Jugendvorstand sechs Abende lang umgesetzt.

Mit Skiunterwäsche gegen die Kälte im Schopf angehen

Bobby und Freddy sind zwei Giganten. Die Jugendvorstände modellierten die rund zwei Meter hohen Seehunde Schicht für Schicht aus alten Zeitungen und Kleister. Oberstes Gebot: richtig durchtrocknen lassen. Ganz zum Schluss gab’s den letzten Anstrich aus Klarlack, damit sich nicht die ganze Schönheit bei einem Regenguss auflöst. Den letzten Schliff gaben fast 80 Kinderhände. Dabei klebten sie Blüte um Blüte an den Torso der Seehunde. Große Flächen wurden mit einem Netz aus Chrysanthemenblumen beklebt. Und wie das geht, zeigt Lena Weber an Blüten, die kopfüber zum Quadrat gelegt und mit einer Klebespritzpistole übersprüht werden an den Körper der Seehunde geklebt werden. „Ich hab’s Quadrat gelegt“, meldet sich Andreas Herrenknecht zu Wort. Der Siebenjährige ist eifrig dabei, hilft auch Blumen zu knipsen. Auf die Frage, was denn so toll daran sei, kommt’s wie aus der Pistole geschossen, „die Pizza, die es nachher gibt.“

Derweil läuft Andreas Dorner zwischen den Modellen umher, rührt seinen Kleber und füllt auf, wo einzelne Blüten wieder abgefallen sind. „Sieht hinterher besser aus“, meint er und klebt mit stoischer Ruhe und eiskalten Fingern Blüten in die Lücken. Dicht auf den Fersen der siebenjährige Andreas. „Mir ist nur ein bisschen kalt, Mama hat mir Skiunterwäsche angezogen.“ Und überhaupt ist der Seehund Freddy sein Favorit: „Weil er der Kleine ist und den Ball hat.“

Zu sehen sind die beiden Giganten der Kippenheimweiler Jugend in der Waldhornstraße.